Osteoporose ist eine Erkrankung, die vor allem Frauen nach der Menopause betrifft. Aber auch Männer und junge Sportlerinnen können daran erkranken. Die Sporttherapie ist eine wesentliche Säule in der Behandlung der Osteoporose. Im Hinblick auf die Knochenfestigkeit und die Bewegungssicherheit ist ein Krafttraining mit Osteoporose-Patienten von großer Bedeutung.
Die Sporttherapie gilt als ein wichtiger Bestandteil der Behandlung von Osteoporose (1). Muskuläres Training stimuliert zum einen den Knochenstoffwechsel und zum anderen fördert es die Bewegungssicherheit. Trainingsprogramme bei Osteoporose müssen immer den Schweregrad der Erkrankung berücksichtigen und entsprechend professionell ausgearbeitet und individuell auf den Patienten angepasst werden.
Die Erkrankung
Osteoporose ist eine Krankheit, bei der der Knochen an Festigkeit verliert. Diese systemische Skeletterkrankung ist gekennzeichnet durch eine Reduktion der Knochenmasse und Störung der Mikroarchitektur des Knochengewebes. Daraus resultiert ein erhöhtes Frakturrisiko (2). Aufgrund der gesteigerten Anfälligkeit für einen Knochenbruch erleben Betroffene häufig eine erhebliche Einschränkung ihrer Teilhabe am Alltagsleben. Neben den körperlichen Beeinträchtigungen steigt auch die seelische Belastung mit der Diagnose. Besonders nach dem ersten Bruch wächst bei Patienten häufig das Gefühl von Unsicherheit. Dabei gilt körperliches Training mit entsprechenden Belastungsreizen als ein entscheidender Baustein in der Osteoporosetherapie. Bei Knochen handelt es sich keinesfalls um inaktives, lebloses Material: Sie passen sich, ähnlich wie auch Muskeln, Belastungen an. Bei fehlenden Belastungsreizen verlieren Knochen an Stabilität, bei richtiger Belastung gewinnen sie an Festigkeit. Daher ist ein spezifisches Training sogar zu empfehlen.
Die Erkrankung tritt am häufigsten bei Frauen nach der Menopause auf. Ein bislang zu wenig bedachtes Risiko ist allerdings Osteoporose bei jungen Sportlerinnen. Die Ursachen für Osteoporose in jungen Jahren sind überschaubar und bestehen vor allem aus drei Faktoren: Essstörungen, intensive Belastungen durch Sport sowie eine Vitamin-D-Unterversorgung. Eine Kombination aus diesen Aspekten ist ebenfalls möglich (3).
Risikogruppen
Sport und Ernährung haben Auswirkungen auf die hormonelle Konstitution und damit auf die Knochendichte. Eine Mangelernährung, wie zum Beispiel bei Magersucht, wirkt sich ungünstig auf die Hormonproduktion der Eierstöcke aus. Erhöhte Cortisolwerte nach dem Training, wie sie bei Sportlerinnen anzutreffen sind, deren Periode aufgrund hoher Trainingsumfänge ausbleibt, haben ebenfalls einen negativen Effekt auf den Knochen (3). Ein Vitamin-D-Mangel trägt zu einem beschleunigten Knochenmasse- und Knochenstabilitätsverlust bei und begünstigt über die neuromuskuläre Achse auch das Auftreten von Stürzen (4). Die Risikogruppe für eine Osteoporose im jungen Alter bilden also körperbewusste, schlanke Frauen, die viel Sport treiben und eine Vitamin-D-Unterversorgung aufweisen. In der Endokrinologie wird dieses Risikoprofil auch als „Triade der sporttreibenden Frauen“ bezeichnet. Die Triade beschreibt eine Wechselbeziehung zwischen geringer Energieverfügbarkeit, unregelmäßiger Menstruationsblutung und Osteoporose (5). Im Jahr 2014 untersuchten Wissenschaftler 65 Frauen, die am College Cross-Country-Teams angehörten. Zwar differenzierte das Risiko der Osteoporose je nach Leistungsniveau, dennoch kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass ein erhöhtes Risiko vorlag (5).
Doch nicht nur Frauen, sondern auch Männer können von Osteoporose betroffen sein. Weltweit leiden mehr als 45 Millionen Menschen an Osteoporose (4). Sie gehört in der westlichen Welt zu den zehn häufigsten Erkrankungen und stellt aufgrund der resultierenden osteoporoseassoziierten Frakturen eine gesundheitsökonomische Herausforderung dar (4).
Sporttherapie
Viele Studien bestätigen, dass bei Patienten mit Osteoporose die körperliche Aktivität im Hinblick auf den Knochenstoffwechsel und Knochenbrüche von großer Bedeutung ist (2, 6−8). Beispielsweise untersuchte 2006 eine Studie an 69 osteopenischen, postmenopausalen Frauen die Effekte verschiedener Trainingsprogramme auf Knochen, Muskelkraft, dynamische Leistungsfähigkeit sowie Befindlichkeit (2). Alle Frauen nahmen zweimal pro Woche an einer angeleiteten Wirbelsäulengymnastik teil. Zusätzlich führten 26 Frauen zweimal wöchentlich ein konventionelles Krafttraining bei 60 bis 80 Prozent des Einwiederholungsmaximums (1RM) und 23 Frauen ein Krafttraining mit vibrierenden Trainingsgeräten zweimal die Woche durch. 20 Frauen betrieben nur Wirbelsäulengymnastik. Die Studienergebnisse zeigen, dass bereits eine systematische Wirbelsäulengymnastik Wohlbefinden und Kraft deutlich verbessern kann und damit einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität und die Reduzierung des Sturzrisikos hat. Das konventionelle Krafttraining bewirkt neben deutlichen Kraftgewinnen zusätzlich Verbesserungen der Knochengeometrie. Bei 19 von 20 Frauen dieser Gruppe war eine Zunahme der Knochenfläche am Oberschenkelhals zu beobachten. Unter Berücksichtigung von physikalischen Gesetzmäßigkeiten und den Ergebnissen anderer Studien kann ein Festigkeitsgewinn vermutet werden (2).
Eine gezielte Sporttherapie bei Osteoporose ist über zwei Wege wirksam: Zum einen stimuliert muskuläres Training den Knochenstoffwechsel und dient somit dem Erhalt von Knochenmasse, zum anderen fördert es die Bewegungssicherheit und trägt damit zur Vermeidung von Stürzen und sturzbedingten Frakturen bei (1). Ein Training der Muskelkraft und Muskelkoordination ist deshalb von großem Wert für Osteoporose-Patienten.
Der wesentliche Stimulus für Knochenanbau und Knochenstabilität ist mechanische Kraft, die durch Muskelkontraktion auf den Knochen übertragen wird. Diese Kraft wird vom Muskel als Verkürzung angenommen und an den Knochen als Verformung weitergegeben (1). So wird durch muskuläres Training die Stabilität der Knochen beeinflusst. Eine 2002 veröffentlichte Studie konnte nachweisen, dass eine erhöhte Kraft der Rückenstrecker, die durch ein überwachtes Training über zwei Jahre erreicht wurde, das Risiko für Wirbelkörperfrakturen innerhalb einer Nachbeobachtung von acht Jahren signifikant senkt (9). Diese Untersuchung zeigt sehr deutlich den engen Zusammenhang zwischen Muskelkraft und Knochenstabilität.
Körperliches Training ist ein entscheidender Baustein in der Osteoporosetherapie.
Belastungsgestaltung für ein Krafttraining
Während es in jungen Jahren wichtig ist, die Stabilität der Knochen durch Krafttrainingsreize aufzubauen und zu steigern, kann man einem möglichen Knochenabbau im Alter durch gezieltes Training entgegenwirken. Die Trainingsbelastung muss sich dann nach dem Schweregrad der Osteoporose richten. In Anlehnung an Begerow, Pfeifer und Minne zeigt Tabelle 1 die Belastungsgestaltung für ein Krafttraining bei Osteoporose unter Berücksichtigung des Schweregrades (1).
Schweregrad 0 (keine Frakturen, Knochendichte zwischen −1,0 und −2,5 SD im T-Score) | Schweregrad 1 (keine Frakturen, Knochendichte kleiner −2,5 SD im T-Score) | Schweregrad 2/3 (erste Frakturen, Knochendichte kleiner −2,5 SD im T-Score) |
Trainingsmethode der intramuskulären Koordination
Sechs Wiederholungen pro Satz mit 80 % der Maximalkraft Schwerpunkt auf die Rumpf-, Gesäß- und Oberschenkelmuskulatur legen |
Trainingsmethode mit geringerem Widerstand, da bereits erhöhtes Frakturrisiko besteht
20 Wiederholungen pro Satz mit 50 Prozent der Maximalkraft Nach ersten Adaptionen kann die Trainingsbelastung gesteigert werden. |
Koordinative Übungen, die das Gleichgewicht schulen, stehen zur Sturzvermeidung im Vordergrund.
Krafttraining sollte mit geringen Intensitäten durchgeführt und langsam gesteigert werden. |
Die Tabelle verdeutlicht, dass gerade die Intensität des Krafttrainings vom Schweregrad der Erkrankung abhängt. Bei einem geringen Schweregrad können Methoden aus dem Maximalkrafttraining angewandt werden, um die Knochenstabilität zu verbessern. Bei fortgeschrittenen Stadien muss die Intensität vor allem zu Beginn des Trainingsprozesses deutlich reduziert werden und kann dann nach ersten Anpassungsprozessen langsam gesteigert werden. In allen Phasen sollte der Schwerpunkt auf die Rückenstrecker sowie die Gesäß- und Oberschenkelmuskulatur gelegt werden. Koordinative Übungen zur Sturzprophylaxe sollten immer mit integriert werden.
Praxisbeispiel
Der erste Teilschritt der Trainingssteuerung ist die Diagnose. Dabei wird der aktuelle Leistungszustand ermittelt und Daten für die spätere Evaluation gesammelt. Zudem werden sportmotorische Tests wie der funktionsgymnastische Kraftausdauertest nach Spring und der Functional Movement Screen durchgeführt. Auf Basis dieser Werte wird ein Trainingsplan erstellt.
Zu Beginn jeder Trainingseinheit werden Übungen zur Verbesserung der Koordination durchgeführt. Diese dienen zum einen als Aufwärmprogramm für die nachfolgenden Krafttrainingsübungen. Zum anderen sind koordinative Übungen im Rahmen eines Trainings mit Osteoporose-Patienten sehr wichtig, da sie einen entscheidenden Beitrag zur Bewegungssicherheit leisten. Komplexe Übungen an einer Koordinationsleiter und verschiedenste Variationen von Einbeinständen kommen dabei zum Einsatz.
Die Intensität des Krafttrainings hängt vom Schweregrad der Osteoporose ab.
Das anschließende Krafttraining ist ein Ganzkörpertraining mit Schwerpunkt auf dem Rückenstrecker sowie der Bein- und Gesäßmuskulatur. Kniebeugen, Ausfallschritte und Kreuzheben sind fester Bestandteil des Trainingsplans, da so die hüft- und kniestreckende Muskulatur sowie der Rückenstrecker trainiert werden. Alle Übungen werden mit freien Gewichten, dem eigenen Körpergewicht oder einem Schlingentrainer ausgeführt. Gegenüber maschinengestütztem Training sind die funktionellen Übungen alltagsnah und koordinativ anspruchsvoll. Um dem Trainingsprinzip der variierenden Belastung gerecht zu werden, ist es wichtig, immer wieder neue Übungen in das Training einzubauen und den Körper so neu zu fordern. In Tabelle 2 sind Belastungsgestaltungen für das Krafttraining mit einer Osteoporose-Patientin aufgeführt. Bei der Festlegung der Belastungsparameter wurden die bereits genannten Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen sowie der aktuelle Leistungszustand der Patientin berücksichtigt.
Belastungshäufigkeit | 2-mal pro Woche |
Belastungsdauer | 45–60 Minuten |
Belastungsumfang | 10–20 Wiederholungen, 2–5 Sätze |
Belastungsdichte | 2–3 Minuten Satzpause |
Belastungsintensität | mittelschwer nach dem subjektiven Belastungsempfinden |
Fazit
Krafttraining ist ein wesentlicher Bestandteil in der Behandlung von Osteoporose. Daneben spielen weitere Faktoren eine entscheidende Rolle im Umgang mit Betroffenen – allen voran die Ernährung und auch die psychische Komponente. Der Umstand, dass Osteoporose oft mit älteren Damen assoziiert wird, lässt junge Frauen „unter dem Radar fliegen“. Gerade bei sportlichen Personen, die gleichzeitig eine restriktive Ernährungsweise verfolgen, sollte die Thematik Osteoporose nicht von vorneherein ausgeschlossen werden.
Literatur
- Begerow B, et al. 2004. Sport und Bewegungstherapie in der Rehabilitation der Osteoporose. Teil II: Bewegung und Therapie. Dtsch. Z. Sportmed. 55; 11:301–2
- Siegrist M, et al. 2006. Krafttraining an konventionellen bzw. oszillierenden Geräten und Wirbelsäulengymnastik in der Prävention der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen. Dtsch. Z. Sportmed. 57; 7/8:182–8
- Hutterer C. 2016. Osteoporose bei Sportlerinnen – ein bislang wenig beachtetes Risiko. https://www.zeitschrift-sportmedizin.de/osteoporose-bei-sportlerinnen-ein-bislang-wenig-beachtetes-risiko; Zugriff am 26.8.2019
- Priemel M, et al. 2006. Pathophysiologie und Pathomorphologie der Osteoporose. Radiologe 46:831–8
- Nguyen V, et al. 2014. Osteoporosis Health Beliefs of Women with Increased Risk of the Female Athlete Triad. https://www.hindawi.com/journals/jos/2014/676304; Zugriff am 21.8.2019
- Franck H, Hohmann W. 2001. Verbesserung der Funktionskapazität, der Schmerzhaftigkeit und der Leistungsfähigkeit bei Patienten mit Osteoporose durch ein spezielles Sportrehabilitationstraining. Dtsch. Z. Sportmed. 52; 2:63–7
- Dalsky GP, et al. 1988. Weight bearing exercise training and lumbar bone mineral content in postmenopausal women. Ann. Intern. Med. 108:824–8
- Snow-Harter C, Marcus R. 1991. Exercise, bone mineral density and osteoporosis. Exerc. Sport Sci. Rev. 19351–88
- Sinaki M, et al. 2002. Stronger back muscles reduce the incidence of vertebral fractures: a prospective 10-year follow-up of postmenopausal women. Bone 30:836–41
Quelle: shape UP